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Gründer einer erfolgreichen Republik – die Zweite Republik, Aufbruch aus der Katastrophe von Michael Rosecker
Kommandantur in Köttlach Länderkonferenz im NÖ-Landhaus - Karl Renner spricht Karl Renner und die vier alliierten Hochkommisare Wahl zum Bundespräsidenten durch die Bundesversammlung Renner bei der Stimmabgabe zur Nationalratswahl 25.11.1945 auf dem Weg zum Parlament 29. April 1945 Telegramm von Stalin Kommandantur in Hochwolkersdorf
Kommandantur in Köttlach
Kommandantur Hochwolkersdorf
Telegramm von Stalin
auf dem Weg zum Parlament 29. April 1945
Länderkonferenz in Niederösterreichischen Landhaus
Renner und die vier alliierten Hochkommissare
Renner bei der Stimmabgabe 25. November 1945
Wahl zum ersten Bundespräsidenten der Zweiten Republik durch die Bundesversammlung
Die Folgen des Nationalsozialismus und des Zweiten Weltkriegs waren verheerend. So waren ca. 247.000 Österreicher als Soldaten in der Deutschen Wehrmacht gefallen oder blieben vermisst. In der Zivilbevölkerung kamen ca. 24.000 Personen durch Bomben- angriffe und Kriegshandlungen auf österreichischem Territorium ums Leben. Rund 32.000 Österreicher und Österreicherinnen starben durch politische Verfolgung. 65.000 österreichische jüdische Mitbürger und Mitbürgerinnen wurden ermordet, rund 120.000 von ihnen konnten fliehen oder wurden vertrieben. Der materielle Schaden durch Annexion und Krieg wird auf 160 Milliarden Schilling (rund 11,6 Milliarden Euro) beziffert. Zum Vergleich: Das österreichische Bruttoinlandsprodukt des Jahres 1950 betrug 3,78 Milliarden Euro. Die Aussage Karl Renners als Bundespräsident im Jahr 1950, „Wir Österreicher glauben an uns“, wirkt in diesem Zusammenhang wie eine beschwörende Formel der Hoffnung. Es war wohl für viele Zeitgenossen und Zeitgenossinnen eine Überraschung, dass ein 75- jähriger im Ruhestand lebender (Ex-)Politiker gleichsam aus dem Nichts das Heft der Wiedererrichtung eines österreichischen Staates in die Hand nahm. Aber Karl Renner hatte noch immer den Ruf eines pragmatischen Sozialdemokraten und war natürlich als ehemaliger Staatskanzler der Republiksgründung nach wie vor einer breiten Öffentlichkeit bekannt. Außerdem war er, der schon in der Monarchie Reichsrats- abgeordneter war, bei all den großen Um- und Zusammenbrüchen der Zeit seit 1918 für viele ein Symbol österreichischer Kontinuität und eine Integrationsfigur. Nach dem Einmarsch sowjetischer Truppen in Gloggnitz sprach Renner am 3. April 1945 bei der Ortskommandantur vor, von wo er über Köttlach nach Hochwolkersdorf zu Generaloberst Aleksej W. Zeltov weitergeleitet wurde. Gleichzeitig ließ Josef Stalin Karl Renner suchen und über eine persönliche Weisung verlauten, dass Renner Vertrauen entgegenzubringen sei. Ein erster staatspolitischer Akt, von immenser Bedeutung, den Renner setze, war das federführende Formulieren der österreichischen Unabhängigkeitserklärung vom 27. April 1945. Diese schuf Tatsachen und ist als Geburtsurkunde der Zweiten Republik anzusehen. Sie trennte Österreich von Nazi-Deutschland, setzte dessen geltende Gesetze außer Kraft und verband die Staatsbürger:innen wieder in ein Rechts- und Pflichtverhältnis zur Republik Österreich.162 Ebenso legte sie der republikanischen Wiedererrichtung eine Absage an die kulturdeutsche Identität zugrunde. Überhaupt kann dieses Dokument, das im Original leider nicht erhalten ist, in seinem Grundton in gewisser Weise als Renners Ausformulierung seiner eigenen Opferdoktrin mit einem gesamtösterreichischen Anspruch gelesen werden. Dennoch war das in der Moskauer Deklaration geforderte Bekenntnis Österreichs zur „Mitverantwortung am Krieg“ darin pflichtbewusst enthalten. Dieser Bezug auf die Deklaration war für Renner unerlässlich, da er darin die Legitimationsgrundlage für seine Strategie der Kontinuität der Republik und der Selbstentlastung bzw. Schuldbefreiung von der Verantwortung für die Verbrechen des Nationalsozialismus erkannte. So blieben darin die Shoah sowie die Beraubung und Passierschein des Staatskanzlers Karl Renner, 1945 die Vertreibung der österreichischen Jüdinnen und Juden unerwähnt – eine „entsetzliche Leerstelle“ (Alfred Noll, 2020) in diesem Gründungsdokument. Diese Leerstelle, überparteilich getragen von den politischen Eliten, mag in der kurzfristigen Perspektive im Chaos der Nachkriegsmonate und in der Not der Wiedererrichtung von demokratischen Strukturen und öffentlicher Ordnung strategisch hilfreich gewesen sein, schuf jedoch ein politisch-moralisches Legitimationsdefizit der Zweiten Republik. Diese strategisch platzierte Opferthese nahm in einer Politik der Symbole (z. B. die hinzugefügten gesprengten Ketten des Bundesadlers) und in konkreten Maßnahmen im Umgang mit Opfern und Täter:innen, vor allem im Hinblick auf die Entschädigungs- bzw. Wiedergutmachungspolitik sowie die Entnazifizierungsmaßnahmen, Gestalt an. Die Mitverantwortung an den Verbrechen des Nationalsozialismus wurde somit ausgeblendet. Diese Opferstrategie stand im krassen Widerspruch zur breiten begeisterten Zustimmung zum „Anschluss“ 1938, zur nachhaltigen Identifikation mit den Zielen der Deutschen Wehrmacht im Zweiten Weltkrieg und zur massiven Virulenz eines politisch forcierten aggressiven Antisemitismus (Heidemarie Uhl, 2001). Dass im endgültigen Staatsvertrag 1955, in Folge einer massiven Intervention des Außenministers Leopold Figl, nicht einmal mehr die Mitverantwortung am Krieg wie in Renners Unabhängigkeits- erklärung erwähnt wurde, machte den Opfermythos endgültig zur österreichischen Lebenslüge. Renner begab sich am 19. April nach Wien und bezog in der Wenzgasse Logis. Dort wurde bereits am 23. April 1945 eine Übereinkunft zwischen SPÖ, ÖVP und KPÖ für ein Proporzkabinett unter Karl Renners Führung getroffen. Dieses konstituierte sich mit Renner als Staatskanzler am 27. April 1945 durch die Unterzeichnung der österreichischen Unabhängigkeitserklärung. Ein eigenständiges österreichisches Rechtsleben wurde mit dem Verfassungsgesetz vom 1. Mai 1945 über das neuerliche Wirksamwerden des Bundesverfassungsgesetzes in der Fassung von 1929 eingeleitet. Mit dem Verfassungsgesetz vom 8. Mai 1945 wurde das Verbot der NSDAP (Verbotsgesetz) beschlossen. Das Zonenabkommen vom 9. Juli 1945 teilte Österreich in vier Besatzungszonen. Renners weitreichende Bereitschaft zu Kooperation, sein Pragmatismus sowie taktisches Geschick und seine Rolle als über den Dingen stehender Staatsmann erlaubten die Öffnung hin zu den USA, ohne die Sowjets zu verärgern, und den ständigen Ausgleich zwischen den drei Regierungsparteien. Die Abhaltung von drei Länderkonferenzen ermöglichte die Ausdehnung des Einflusses der Provisorischen Regierung auf das gesamte Staatsgebiet und somit den Erhalt der Landes- einheit. Am 20. Oktober 1945 wurde die Regierung Renner vom Alliierten Rat als gesamt- österreichische Institution anerkannt. Die ersten gesamtösterreichischen Nationalrats- wahlen fanden am 25. November 1945 statt. Die ÖVP erhielt mit 85 Mandaten die absolute Mehrheit und bildete eine Konzentrationsregierung mit der SPÖ und der KPÖ unter Bundeskanzler Leopold Figl und Vizekanzler Adolf Schärf. Dem neu gewählten Nationalrat präsentierte Karl Renner am 19. Dezember den Rechen- schaftsbericht der Provisorischen Staatsregierung, der mit der Forderung nach der vollen Freiheit ausklang. Am 20. Dezember 1945 wurde Karl Renner von der Bundesver- sammlung als Bundespräsident bestimmt. Er verstarb zu Silvester 1950 an einem Schlaganfall. Um sich von der konflikt- und gewaltbeladenen Ersten Republik abzuheben, wurden Proporz und Konkordanz in der institutionellen Ordnung und der alltagspolitischen Praxis zentrale Säulen der Zweiten Republik. Der neue Staat bekannte sich zu einem sozial- staatlichen Wohlstands-, einem gesellschaftspolitischen Friedens- und einem kleinstaatlichen Freiheitsversprechen zwischen den großen Blöcken des Kalten Krieges. Diese Stabilisierung der Republik und die Herausbildung eines österreichischen Bewusstseins wurden von einer „vom Weltmarkt her wehenden frischen Konjunkturbrise“ (Fritz Weber) getragen. Die Steigerungen des Bruttoinlandsprodukts demonstrieren die wirtschaftliche Erfolgsgeschichte der Zweiten Republik eindrucksvoll: Im Jahr 1950 betrug es 3,78 Milliarden Euro, 1960 bereits 11,8 Milliarden Euro. Um den labilen inneren Frieden und die fragile Kooperation der politischen Lager nicht zu gefährden, aber auch teilweise aus borniertem Unwillen und kleinlichem Ressentiment wurde die Auseinandersetzung mit dem Bürgerkrieg 1934 und der österreichischen Mitverantwortung an den Verbrechen des Nationalsozialismus hintangestellt. Über- schrieben wurde dieses Vermeiden bzw. dieser Unwille mit einer Doktrin, die Österreich vor den Augen der Siegermächte ausschließlich als Opfer des Nationalsozialismus definierte. Noch in die Unabhängigkeitserklärung Renners wurde die sogenannte „Verantwortungsklausel“ der Moskauer Deklaration aus dem Jahr 1943, in der die Alliierten die Wiedererrichtung Österreichs vereinbarten, aber auch eine österreichische Mitverantwortung „am Kriege an der Seite Hitler-Deutschlandshineinformuliert. Bereits bei der Errichtung des Staatsvertrags 1955 wurde sie wieder herausverhandelt. Aus dem ungewollten Staat von 1918 wurden eine stabile rechtsstaatliche Demokratie und ein wirtschaftlich erfolgreiches Land. Renners bedeutender Anteil an dieser Entwicklung liegt im besonderen Maß an seinen Aktivitäten unmittelbar bei Kriegsende und in den ersten Jahren als Bundespräsident, die das Fundament dafür bildeten, dass Österreich als selbstständiger Staat wiedererstehen und eine Teilung des Landes verhindert werden konnte. Wenige politische Persönlichkeiten sind so eng mit der Geschichte der Republik Österreich verwoben wie Karl Renner, der somit die Zusammen-, Um- und Aufbrüche dieses Landes mit seinen historischen Leistungen, aber auch mit seiner historischen Verantwortung repräsentiert.
Unterschriften österr. Staatsvertrag 1955 Seite 1 des Bundesgesetzblattes 152 / 1955
Seite 1 des österr. Staats- vertrags Bgbl 152 vom 30.Juli 1955
Unterschriften unter den Staatsvertrag (aus Wikipedia/Karl Gruber)
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